Der Markkleeberger Carsten Zeucke, ein sportliches Vorbild für Menschen mit Beeinträchtigungen, hat sich die Zeit genommen, mit uns über seine Leidenschaft für den Sport und zu sprechen. Gleichzeitig findet er, dass es in unserer Gesellschaft mehr Inklusionssportangebote geben sollte. Wir haben ihn am Markkleeberger See getroffen.

Lieber Carsten, du bist Zeit deines Lebens im Leistungssport aktiv. Womit hast du damals begonnen?

1982 während meines NVA-Dienstes habe ich als Armeesportler Geländelauf und 3000m-Lauf begonnen. Und 1986 empfahl mir mein damaliger Trainer, mich im Marathon auszuprobieren, da er mein Potential erkannt hatte. Meinen ersten Marathon habe ich damals auch gleich gewonnen, so wurde ich in die Trainingsgruppe von Katrin Dörre im SC DHfK Leipzig aufgenommen, wo ich leistungsorientiert von Wolfgang Heinig trainiert wurde. Meinen größten Erfolg feierte ich dann im Mannschafts-Marathon 1988 in Leipzig. Der Verein hat mich damals bestens unterstützt, sodass ich mich voll und ganz auf meinen Sport konzentrieren konnte.

Warst du auch auf internationalen Wettkämpfen in der Zeit?

Ja, durch die guten Leistungen konnte ich auch zweimal in Budapest und einmal in Sofia an Wettkämpfen teilnehmen und mich international vergleichen. Das war für mich ein tolles Erlebnis, damals kannte mich in der Läuferszene außerhalb der DDR niemand, sodass ich 1989 mit einem 16. Platz von 1200 Läufern für Aufmerksamkeit sorgen konnte.

Dann kam die Wendezeit, was hat sich sportlich für dich geändert?

Ich konnte trotz der Wende nahtlos weiter trainieren, auch durch die damalige Unterstützung des Sportausrüsters Asics und des Vereins war ich gut aufgehoben. Ich konnte eine Ausbildung zum Physiotherapeuten beginnen und das tägliche Training sehr gut damit vereinbaren.

Weiterhin war es schön, internationale Wettkämpfe zu bestreiten, Athleten aus anderen Ländern kennen zu lernen und viele Länder durch den Sport kennen zu lernen.

1995 hast du deine sportliche Karriere im Marathon beendet und dich deinem Beruf als Physiotherapeut gewidmet.

Mein krönender Abschluss war im Dezember 1995, als ich beim Marathon in Honolulu auf Hawaii von 33.000 Starten auf Rang 47 laufen konnte. Danach habe ich noch abtrainiert und mich auf andere Dinge konzentriert.

Und bist du danach dem Sport erhalten geblieben?

Ja, klar, sowohl als Physiotherapeut habe ich die Kickers in Markkleeberg durchgeknetet und ich war auch mit großer Leidenschaft als Schiedsrichter für LOK Leipzig aktiv.

Und 2013 änderte sich plötzlich alles.

Ja, mein Leben änderte sich von einem Tag auf den anderen, als ich einen Schlaganfall erlitt. Dadurch war ich von einem Tag auf der anderen durch eine halbseitige Lähmung und Sehbeeinträchtigung gehandicapt. Ich brauchte danach zwei Jahre, um mich wieder im Leben orientieren zu können. Mein Fachwissen als Physiotherapeut half mir auch sehr, ins Leben zurückzufinden.

Wie hast du es dann geschafft, mental so stark zu werden und dich wieder in den Sport zurückzukämpfen?

Durch den früheren Leistungssport habe ich sicherlich einen großen Willen und nach dem Schicksalsschlag war für mich klar, dass ich es mir beweisen möchte – trotz meinen Einschränkungen – weiterhin sportliche Ziele zu stecken und zu verfolgen. Natürlich dann eben in anderen Sportarten.

Worin hast du dann eine neue Leidenschaft gefunden?

Ich habe 2016 wieder mit dem Laufen begonnen und wollte wieder an Wettkämpfen teilnehmen. Ich habe damals allein und ohne Trainer trainiert und bin regelmäßig meine Runden um den Markkleeberger See gelaufen. Ich wollte unbedingt an den paralympischen Meisterschaften teilnehmen. Und bei den Deutschen Meisterschaften lief es dann richtig gut. Ich konnte zweimal die Deutsche Meisterschaft im 1500m Lauf gewinnen und holte noch diverse Medaillen.

Du brennst nach wie vor dafür, einmal an paralympischen Spielen teilzunehmen. Hat es denn im Laufen geklappt?

Im Laufen hat es nicht geklappt, da meine körperlichen Voraussetzungen dafür nicht mehr gut genug waren. Aber Lothar Tischner, der mich als Läufer bereits kannte, kam im letzten Jahr auf mich zu und riet mir, einmal eine Kugel in die Hand zu nehmen. Er erkannte mein Potential und seitdem trainierte ich regelmäßig. Bei meiner ersten Deutschen Meisterschaft im Kugelstoßen konnte ich im Juni 2022 direkt die Silbermedaille gewinnen. Nach dem Motto „Jetzt erst recht“ möchte ich nun herausfinden, wie weit ich die Kugel stoßen kann.

Und 2021 hast du auch noch eine andere Sportart für dich entdeckt. Den Blinden-Fußball.

Beim 1. F.C. LOK gibt es eine Blinden-Fußball-Mannschaft. Das Besondere an dem Sport ist, dass man das akustische Signal des Balles orten muss, um den Ball auch zu treffen. Es macht unglaublich viel Spaß und wir sind eine starke Truppe mit guten Fußballern. Aktuell bereiten uns auf zwei internationale Fußballturniere vor. Man nicht gänzlich blind sein, um den Sport zu betreiben, denn wir haben auch Verdunkelungsbrillen, mit der auch Nicht-Sehbehinderte mitmachen können.

Das haben wir gesehen auf dem Inklusionssportfest des Kreissportbundes. Wir drücken dir alle verfügbaren Daumen für deine Kugelstoß- und Fußball-Karriere. Was möchtest du anderen Sportlern, mit und ohne Beeinträchtigungen mit auf den Weg geben?

Durch meine Zeit als Para-Sportler habe ich es geschafft, wieder eine Verbindung zu meinem Körper aufzubauen. Es ist wichtig, für alle, die mit Beeinträchtigungen Sport treiben: Das Beste aus dem zu machen, was bleibt. Die Zeit ist kostbar. Es geht darum, sich zu bewegen und etwas für seinen Körper zu tun.

Was muss sich verändern, damit Menschen mit Beeinträchtigungen in den Sportverein finden?

Das Engagement der Vereine und auch der Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen muss sich verbessern. Es ist sicher nicht einfach, dies im Sportverein zu realisieren, da behinderte Sportler individueller betreut werden müssen. Die Voraussetzungen dafür zu schaffen ist je nach Sportart kostenintensiver, da sollte es mehr Unterstützung seitens der Politik, der Gemeinden und Städte geben.

Aber relativ einfach zu realisierende Angebote für Menschen mit Beeinträchtigungen könnten auf jeden Fall Fußball, Leichtathletik, Schwimmen oder Rollstuhlbasketball sein.

 

Unterstützung beim Aufbau von inklusiven Sportgruppen erhalten die Vereine beim Kreissportbund und auch bei Special Olympics Sachsen. Vielen Dank für das Interview und alles Gute, Carsten!